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Von Grenzchaos, 3D Druckern und gebrauchten Wasserbeuteln



Es ist Montag. Visa für Angola abholen: Check. Auf in Richtung Togo!

Polizeikontrolle: Pässe, Autopapiere, Feuerlöscher, Warnwesten, Warndreieck: in Ordnung. Zweites Warndreieck: haben wir nicht. Offenbar ein schweres Vergehen, werden wir doch sofort ins Büro am Straßenrand beordert und sollen 300 Cedi Strafe zahlen. Die Polizisten sind laut und aggressiv. Wir versuchen es zunächst auf die freundliche Art, doch die Stimmung schaukelt sich hoch. Schließlich fordern wir, dass ein anderer Passant angehalten wird, um zu sehen ob dieser zwei Warndreiecke hat und ebenso unfreundlich behandelt wird. Leider packt der gestoppte Fahrer gleich drei Warndreiecke aus. Also weiter Diskutieren, bis uns in Aussicht gestellt wird zum Richter zu gehen. Wir erklären, dass sie gerne machen können was sie wollen, wir aber ganz einfach nicht so viel Geld haben. Wortlose Minuten. „Wie viel Geld habt ihr denn?“. „30 Cedi“. Die Polizisten nicken sich zu, wir bezahlen, entschuldigen uns noch einmal und atmen durch. Ohne Probleme erreichen wir die Grenze zu Togo… dann beginnt das Chaos.

Grenzposten Ghana: Auf einem großen, staubigen Hof quetschen sich dicht gedrängt LKWs, Autos und Fußvolk umher. Polizisten schreien und gestikulieren herum, vermeintliche Helfer scharen sich um unser Auto und klopfen an die Scheiben, vor uns wird gehupt, hinter uns wird gehupt. Wir wissen mittlerweile recht gut, wie afrikanische Grenzübergänge funktionieren. Wo wir welchen Stempel bekommen und wer überhaupt etwas zu sagen hat. Letzteres haben in der Regel die Wenigsten. Also weisen wir eine jede Person zurück, die meint uns Anweisungen geben zu müssen. Zwar machen wir uns damit keine Freunde, kommen aber immerhin recht zügig durch.

Grenzposten Togo: Erneut ein großer Hof. Wir werden auf einen Parkplatz eingewunken. Den Zollstempel für das Auto bekommen wir unproblematisch, dann reihen wir uns bei der Immigration ein. Schon von hinten sehen wir die Geldscheine, die ein jeder Einheimischer demütig in seinen Pass legt. Als wir an der Reihe sind, werden wir jeweils um 5000 CFA, ca. 9€ gebeten – für einen lächerliches Stück Papier mit einem Stempel darauf, natürlich ohne Quittung. Ohne dieses bekommen wir offenbar keinen Passstempel. Die Menschen um uns herum erklären uns, dass man hier wirklich zahlen müsse. Wir erwiedern dem Beamten sehr direkt, dass wir keine Korruption unterstützen und man von uns kein Geld sehen wird. Ein jeder guckt uns blöd an, doch es klappt. Mit gestempeltem Pass und gestempeltem Papierfetzen gehen wir zum Auto. Dem dort stehenden Polizisten geben wir den Zettel, daraufhin verlangt er von uns 5000 CFA – diesmal Parkplatzgebühr. Wir können diese Dreistigkeit kaum glauben. „Wir bezahlen nicht. Auf Wiedersehen!“ rufen wir dem Polizisten zu, als wir einfach ins Auto steigen und losfahren. Auf der anderen Seite des Hofes öffnet man uns die Schranke. Ab nach Lomé!

Dort begeben wir uns zunächst zum Markt und mischen uns ins dichte Gedrängel. Eine Premiere: Baguettes mit Avocado, Zwiebeln, Tomaten und Öl, genial! Nach etwas Herumspazieren geht es zu „Chez Alice“, dem Gasthaus von Alice, einer überaus freundlichen Schweizerin, die dieses schon seit über 30 Jahren betreibt. Außerdem treffen wir dort auf einen mindestens genauso freundlichen, uns durchaus vertrauten Holländer samt Hund.

Am nächsten Tag fahren wir mit dem Taxi in die Stadt und besuchen das WoeLab, einen Hackerspace. Wir treffen auf eine Gruppe junger Leute, die meisten von ihnen Studenten, die daran arbeiten, durch technologische Innovation einen Mehrwert für ihr Land zu schaffen. Folgende Projekte – Fotos sind leider nicht erlaubt – werden uns vorgestellt:

– Das „Bevölkern“ der togolesischen OpenStreetMaps Karten mit aktuellen Orten und Informationen. In der Tat war uns bereits schon auf dem Weg aufgefallen, wie detailliert unser togolesisches Kartenmaterial ist.

– Die Produktion von eigens konstruierten 3D Druckern, gebaut aus gebrauchten Computerteilen. Geplant wird der Verkauf in Togo aber auch der Export in Länder wie Ghana, Elfenbeinküste oder Nigeria.

– Der Bau von günstigen Desktop Computern. Aus alten, teils defekten Laptops und PCs werden die noch funktionsfähigen Teile entnommen und mit alten Ölkanistern als Gehäuse zu einem simplen, kompakten und ziemlich stylischen PC verarbeitet. Bei Abgabe eines defekten Altgeräts gibt es ca. 50% Rabatt.

– Der Bau von Wasserpumpen für Brunnen aus allgegenwärtigen Materialien wie Ölkanistern und einfachem Gestänge.

Alte Monitore werden zu Blumentöpfen zweckentfremdet, um Pflanzen in Wohnungen zu bringen.

Im Anschluss begeben wir uns zu KamZé – einem Projekt, welches die Wiederverwertung von gebrauchten Trinkwasserbeuteln anstrebt. Diese sind in ganz Westafrika unter dem Namen „Pure Water“ aufgrund des geringen Preises gang und gäbe, landen jedoch unglücklicherweise fast immer auf der Straße oder den Abwasserkanälen. Die Plastikbeutel werden von Schulen und weiteren Institutionen gesammelt, dann von KamZé gereinigt und einer Gruppe von 9 Schneidern zu unter anderem Rucksäcken, Handtaschen oder Portmonnaies verarbeitet. Ein Großteil der Produkte wird in Alternativläden in Frankreich verkauft. Bereits jetzt wird schon an der nächsten Produktgeneration gearbeitet, und so bekommen wir etwa ein paar hochwertige Handtaschen aus alten Kunststoffplanen mit Werbeaufschriften zu sehen.

Abends lernen wir im Gästehaus Martin kennen – zur Vermeidung von Verwechslungen ab jetzt Togo-Martin genannt. Er ist ein Afrika-Urgestein, schon seit seiner Jugend auf Achse kreuz und quer durch den Kontinent und seit 30 Jahren regelmäßig zu Gast bei Alice. Er berichtet uns diverse Geschichten, etwa über einen Gefängnisaufenthalt aufgrund einer offenbar illegalen Einreise oder den Verkauf eines Autos in einer Währung, welche den Abtransport der Scheine mit einem LKW notwendig machte.

Außerdem lernen wir eine Menge über Togo, da Togo-Martin hier seit Jahren Sattelschlepper und Lastwagen verkauft. Lomé besitzt den einzigen Freihafen in Westafrika, selbst aus Algerien kommen Händler gereist, um Fahrzeuge zu kaufen und quer durch die Wüste in den Norden zu fahren. Es gibt keine Importsteuer für Fahrzeuge, lediglich die Zöllner im Hafen müssen bestochen werden – diese sind aufgrund des illegalen Einkommens offenbar durch die Bank reiche Leute. Togo-Martin erzählt, dass es mittlerweile fast unmöglich ist, hier profitabel Autos zu verkaufen. Der Handel sei zu nahezu 100% in den Händen von Libanesen, welche Autos oft bis zu einem Drittel unter Marktpreis anbieten, um mit der Differenz in ihren Büchern Geldwäsche zu betreiben. Auch die Aktivitäten des togolesischen Präsidenten seien nicht ganz koscher. Dieser habe Geld ohne Ende, fliege aber einmal pro Woche per Privatjet nach Italien zur „Dialyse“. Seine Frau gebe außerdem gerne mal hohe Geldbeträge in Schweizer Juwelierläden aus.

Bevor wir am nächsten Tag aufbrechen, statten wir aus Interesse dem Freihafen einen Besuch ab. Mit einem der auf erhöhten Holzbauten thronenden libanesischen Händlern feilschen wir über eine alte C-Klasse. Der Preis ist hoch, ebenso der Verhandlungsspielraum. Für jeden, der hier tatsächlich Fahrzeuge kauft, wartet am Ausgang das Zollgebäude. Und tatsächlich: Schon der Anblick der umherstolzierenden Offiziellen lässt darauf schließen, dass hier eine Menge Geld fließt. Wir verabschieden uns und machen uns auf den Weg nach Benin.

Nach einer lockeren Grenze fahren wir entlang einer ständig wechselnden Küstenlandschaft. Vorbei an Grand Popo und ins Landesinnere nach Ouidah, angeblich die Geburtsstätte des Vodoo Kultes. Nach einem kurzen Spaziergang samt Schnack mit einem deutschsprachigen Beninesen entscheiden wir uns, dem Voodoo nicht weiter nachzugehen und weiterzufahren. Zu touristisch wirken sämtliche Tempel und Märkte.

In Cotonou finden wir nach einer längeren Suche das Gästehaus „Le Guesthouse“, betrieben von einem französischen Paar. Die folgenden Tage schwärmen wir aus und erkunden die Stadt. Auffällig sind die Scharen umherflitzender Mototaxis, welche trotz eigener Spur auf den Hauptstraßen eine Gefahr für jeden unachtsamen Fußgänger darstellen. Eine eigene Fahrt lassen wir uns natürlich nicht entgehen. Aus Interesse schauen wir noch kurz auf dem großen Markt in der Vooodoo Abteilung vorbei und stellen fest, dass wir mit sinnlos getöteten, getrockneten und zerschnittenen Tieren nicht viel anfangen können.

Bevor wir gen Osten aufbrechen steigt die Spannung, denn vor uns liegt die Grenze zu Nigeria. Genauer gesagt die südliche Grenze mit direktem Weg nach Lagos – mit über 20 Millionen Einwohnern die größte Stadt Afrikas – welche uns als „härteste Grenze Afrikas“ verkauft wurde. Wir brechen um 05:00 Uhr morgens auf…