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Fruchtsäfte, Bambusräder und Kuh-Investments



Die Einreise nach Ghana ist professionell und läuft zügig. Wir beobachten wie ein Mann beinahe verprügelt wird, da er beim Flaggeeinholen um Punkt sechs Uhr nicht stillsteht. Es dämmert, und so beeilen wir uns, noch vor der Dunkelheit in Busua anzukommen. Mehrere zwielichte Checkpoints, an denen uns wild mit einer Taschenlampe entgegengefuchtelt wird, durchfahren wir zur Sicherheit einfach. Angekommen, campen wir für zwei Nächte im Alaska Beach Resort, einem ausgesprochen gut gepflegten Campingplatz mit Gästehaus und Bar, direkt am Meer. Frühstück gibt es bei Dan „The Pancake Man“, der im Dorf eine kleine Bude betreibt und uns ausgezeichnete Banana Pancakes serviert. Die Aussicht auf Kundschaft lässt sich auch Frank „The Juice Man“ nicht entgehen und bietet uns seine Dienstleistungen im Bereich Fruchtsaftzubereitung an. Um das Ganze zu vervollständigen, treffen wir später am Strand noch Joseph „The Lobster Man“. Laptoparbeit, Schwimmen, Fußball mit Jungs am Strand.

In Richtung Accra halten wir zunächst in Elmina, einer kleinen Stadt mit einem Hafen voller bunter Piroggen und einer ehemaligen Sklavenburg. Es ist gerade eine Beerdigung im Gange und infolge dessen zieht eine Menschenmenge fröhlich unter dröhnender Musik durch die Stadt, hier und da ein ein Poster oder Bild des Verstorbenen tragend. Weiter geht es nach Cape Coast, der ehemaligen Hauptstadt des Landes. Hier campieren wir im Oasis Beach Resort, geführt von einem Deutsch-Türken. Auch hier gibt es eine berühmte Sklavenburg, in der wir bei einer Führung – ähnlich wie auf Gorée Island im Senegal – von der grausamen Vergangenheit dieses Ortes zu Kolonialzeiten erfahren. Im ehemaligen Leuchtturm der Stadt wohnt eine Familie, die uns für wenig Geld die Aussicht über die Stadt genießen lässt. Schließlich gibt es Fufu – klebrige Kugeln aus gestampftem Maniok und Kochbananen – in einem kleinen, authentischen Straßenrestaurant inmitten der Marktgegend.

Am nächsten Tag erreichen wir Accra und begeben uns direkt zur Benin Botschaft. Für 40 Cedi gibt es ein Visum, das wir schon am frühen Nachmittag abholen können. Anschließend besuchen wir die Togolesische Botschaft. Hier wird uns für 35.000 CFA – Geld kann selbstverständlich vor Ort zu einem schlechten Kurs gewechselt werden – und 10 Cedi „Expressgebühr“ ein schnelles Visum in Aussicht gestellt. Zähneknirschend bezahlen wir die Gebühr, da wir dem Feierabendverkehr zuvor kommen wollen, wissend, dass das Geld direkt in die Tasche des arroganten Angestellten wandert.

Endlich machen wir Bekanntschaft mit Beatrice, Philipps ehemaliger Gastmutter bei seinem Praktikum in Ghana vor zwei Jahren. Jeden Sommer empfängt sie Gaststudenten, die mithilfe der internationalen Organisation IAESTE in lokalen Betrieben Praktika absolvieren. Warm und herzlich werden wir empfangen und bekommen ein Gästezimmer für uns allein. Sofort fühlen wir uns heimisch. Wir erfahren, dass sich in den verganenen Jahren hier viel getan hat, da ihr Sohn Kafui, ein Ingenieur, ein eigenes Unternehmen gegründet hat und dieses von zuhause aus führt. Mit „ECKA Engineering Contractors LTD“ kalibrieren er und seine Mitarbeiter Maßanzeigen für die unterirdischen Reservoirs von Tankstellen. Durch Qualität, Verlässlichkeit und Kundenfreundlichkeit haben sie sich bereits einen ansehnlichen Teil des lokalen Marktes erarbeitet und konstruieren derzeit immer bessere und genauere Maschinen.

Gemeinsam mit seinen Freunden – er selbst ist nicht zuhause – gehen wir abends in die Bar „DJ Azonto’s Office“, wo wir live eine Rapeinlage über uns und unsere Reise zu Ohren bekommen. Zudem genießen wir die scharf gewürzten, gegrillten Würste am Spieß, welche es in Ghana neben jedem Club und jeder Bar gibt. Die folgenden Tage des Wochnendes stehen unter dem Titel Regeneration und Sightseeing. Wir fahren mit TroTros – den lokalen Gruppentaxis – in die Stadt, besichtigen den riesigen Marktplatz und den Leuchtturm in Jamestown. Anschließend besuchen wir das lokale Stadion.

Montag um 9 Uhr stehen wir vor den Toren der Angola Botschaft. Ein Visum für Angola ist für Touristen eines der schwierigsten in ganz Afrika, da das Land aufgrund seines Ölbooms zunehmend die Einreise für Ausländer reglementiert. Es fängt an zu schütten. Klitschnass werden wir empfangen und erhoffen uns einen Mitleidsbonus. Die Mitarbeiter der Botschaft wirken zunächst etwas arrogant und pingelig: Wir haben kein portugiesisches Schreiben der Uni, das Übersetzen vor Ort kostet 40 Cedi, etwas mehr als 10€. Im Antragsformular haben wir ein Wort durchgestrichen. Böse Blicke. Ausnahmsweise dürfen wir mit Tippex nachbessern. Das individuelle persönlichen Anschreiben müssen wir aufgrund einer spontanen Korrektur erneut ausdrucken. Außerdem enthalte das von einem portugiesischen Freund übersetzte, gemeinsame Anschreiben grammatikalische Fehler und sei daher nicht vertretbar. Durchatmen.

Unser Bild der Mitarbeiter ändert sich als wir lernen, dass der komplette Antrag nach Angola geschickt und penibel überprüft wird, und sie lediglich eine Zurückweisung verhindern wollen. Gratis helfen sie uns und korriegieren zu dritt eine halbe Stunde lang unser persönliches Schreiben, um den Antrag erfolgreich durchzubringen. Zur Bezahlung müssen wir zur Bank, um dort je 160 USD einzuzahlen – der lokale Cedi scheint zu stark zu schwanken. Wir haben nicht mehr viel Zeit, da die Botschaft bald schließt. Die Bankmitarbeiter versichern uns, dass wir im aktuellen Wechselkurs in Cedi einzahlen können und auf der Quittung 160 USD steht. Nach einer langwierigen Transaktion am Schalter steht ein Betrag in Cedi auf der Quittung. Also alles stornieren und Geld wechseln. Die Bank hat keine US Dollar. Ab zum nächsten Hotel mit Wechselstube, mit USD zurück zur Bank. Erneutes Ausfüllen, erneute Transaktion, mehr als eine Stunde zu spät zurück zur Botschaft, die glücklicherweise noch offen ist. Uns fehlen nur noch Fingerabdrücke und wir können gehen. Wir sollen am Freitag wiederkommen und das Visum abholen. Ein halber Tag für einen Visumsantrag. TIA – This is Africa.

Wir besuchen Steelco, eine Nagel-, Metallstangen- und Wellblechfabrik, bei welcher Philipp bereits vor zwei Jahren ein Praktikum absolviert hat. Sie befindet sich in Tema, einer Stadt vor Accra in welche sämtliche Industrie ausgelagert ist. Die Mitarbeiter freuen sich riesig über Philipps Besuch und wir bekommen eine Führung durch die Produktion mit Erklärung aller Prozesse und Maschinen.

Am Dienstag besuchen wir Kumasi, zweitgrößte Stadt in Ghana und Hauptstadt der Ashanti Provinz im Zentrum des Landes. Unterwegs stoppen wir spontan bei Blue Skies, einer Fabrik für Fruchtsäfte und geschnittene Früchte, deren verrücktes Logo uns schon im Supermarkt in Accra aufgefallen ist. Wir werden nett empfangen und von einem Mitarbeiter durch die manuelle Verarbeitung aller möglicher geschnittener Früchte geführt. Er erklärt uns, dass sämtliche Ware frisch und ohne Zusätze verkauft werde, die Haltbarkeitsdauer beträgt fünf Tage. Morgens werden die Früchte angeliefert, tagsüber verarbeitet, abends zum Flughafen gefahren, nachts nach Europa geflogen und am nächsten Morgen liegt die Ware in den Kühlregalen europäischer Supermärkte. Mit rund 1800 Mitarbeitern vor Ort werden täglich 30 Tonnen Früchte verarbeitet und das Unternehmen stellt 1% des ghanaischen Exports. Es ist heiß, und bevor wir uns wieder ins glühende Auto setzen fröhnen wir noch genüsslich dem unbestreitbar guten Saft in der örtlichen Saftbar.

Weitere 230 Kilometer nach Kumasi in 5 Stunden. Immer wieder Sandpisten. Nach langem hin und her dürfen wir, dank des lokalen IAESTE Organisators, umsonst auf dem Parkplatz eines Studentenwohnheims campen. Gebratener Reis und im Anschluss Championsleague mit ein paar Jungs in ihrem Studentenzimmer.

Am nächsten Tag geht es ins Zentrum, zum größten Markt Westafrikas. Spaziergang durch dichtes Getümmel. In einem großen Bereich werden ausschließlich Waren der Altkleidersammlung angeboten. Hemden und Hosen bekannter Marken bekommt man hier für umgerechnet 30 Cent, die Ware liegt in zig riesigen Säcken tonnenweise herum. Es ist klar, dass eine lokale Produktion von Kleidung hier nicht mithalten kann, allerdings muss man sich darüber bewusst sein, dass die Alternative billige, in der Regel minderwertige Kleidung aus China ist.

Weiter geht es zum Büro von Bamboo Bikes. Wir treffen Bernice, die Gründerin. Noch während des Studiums hat sie gemeinsam mit einer Kommilitonin die Organisation Bright Generation ins Leben gerufen, welche die sinnvolle Beschäftigung junger Leute anstrebt. Eines der Projekte ist die Herstellung von Fahrradrahmen aus Bambus. Diese werden sowohl lokal verkauft als auch exportiert, jeder dritte Rahmen geht an ghanaische Schüler, da diese täglich lange Strecken zu Fuß zurücklegen müssen.

Besuch in der außerhalb der Stadt gelegenen Werkstatt. Wir treffen Eric, einen jungen Handwerker, der gemeinsam mit 6 Kollegen für die Anfertigung der Rahmen verantwortlich ist. Diese machen einen hochwertigen Eindruck, die Fertigung erfolgt professionell: Zunächst wird das Holz ausreichend bearbeitet, dann werden die Rahmen in Alugestellen zusammengelegt und verklebt. Verbundstellen werden mit einem Bastartigen Material umwickelt, mit Epoxidharz getränkt, ausgehärtet, abgeschliffen und anschließend lackiert. Einzig die Metallführungen für etwa das Lenkrad oder das Tretlager werden importiert. Testfahrt mit einem fertigen Bambusrad, Abschiedsfoto, dann kurzer Abschied im Büro inklusive Interview. Zurück in Richtung Accra, erneut kurze Erfrischung bei der Blue Skies Saftbar, dann zuhause Fußball schauen.

Für Donnerstag haben wir einen vollen Terminplan. Zunächst besuchen wir die Gründer von farmable.me, sie bezeichnen ihr Geschäft als CrowdFarming Plattform. Ausgangslage ist das Problem, dass Farmer zunehmend in die Städte abwandern, um dort ihr Glück zu suchen. Sie sehen ihre Arbeit nicht als Geschäftsmodell an, sondern als Bürde, die nur aufgrund von Tradition geführt wird. Farmable.me soll dies ändern. Auf der Internetseite können Privatpersonen – im Stil eines Investments – einen Anteil einer Kuh kaufen, und zwar etwa 8 Monate vor der Schlachtung. Der Farmer ist somit schon während der Zucht liquide, kann das Geschäft ausbauen und das Fleisch im Anschluss zu einem guten Preis verkaufen – hier steht Farmable.me für eine Art Gütesiegel. Die „Investoren“ erhalten nach Verkauf ihren Anteil plus 10% Rendite zurück. Diese entsteht durch die Wertsteigerung des Rindes innerhalb der 8 Monate Zucht bis zur Schlachtung. Zudem sind sie in der Lage, im Supermarkt das Fleisch ihrer „eigenen“ Kuh zu kaufen. Wir sind nicht die einzigen Gäste bei farmable.me: Ebenfalls anwesend in der Runde ist ein amerikanischer Freund der Gründer, welcher als Lehrer in Abu Dhabi arbeitet und die dortige Poetry Slam Szene aufbaut. Die Welt ist bun t.

Wir ziehen weiter zum iSpace, einem Coworking Space. Scheinbar kommen wir genau passend, denn gerade beginnt ein Business Seminar für Geschäftsfrauen. Heute ist nur der erste Teil der Serie. Es erfolgt die Vorstellung der Teilnehmerinnen und ein erster Austausch über die Geschäftsmodelle, die persönlichen Ziele und Herausforderungen. Highlight ist der Vertreter einer afrikanischen Organisation, welcher mit seinem Vortrag für eine kostenpflichtige Mitgliedschaft Werbung macht und von den kritischen Teilnehmerinnen förmlich auseinandergenommen wird. Über die Zukunft ghanaischer Geschäftsfrauen machen wir uns keine Sorgen mehr…

Gerade brechen wir zur Rückfahrt auf, da werden wir auf der Straße von einem Mann angesprochen, der sich uns als Cecil vorstellt. Auf die Erklärung unseres Vorhabens erwiedert er, dass er selbst ein Entrepreneur sei und lädt uns auf einen Drink ein. Bei einem gewöhnungsbedürftigen Cocktail erzählt er uns von den Höhen und Tiefen seiner Karriere, den Problemen als Selbstständiger durch die starkt fluktuierende Situation einzelner Wirtschaftszweige, von fallenden Goldpreisen und dem illegalen Abbau in Ghana, sowie all seinen verschiedenen – mehr oder weniger erfolgreichen – Geschäften: von Marketing über Mikrokredite bis zum Autohandel und der Vermietung von Baumaschienen. Beim Abschied gibt er uns den Rat, dass Wissen über Afrika viel wert ist und wir in Bezug auf unsere Zukunft nicht nur auf Europa schauen sollen.

Freitag Morgen stehen wir früh auf um uns gebührend zu verabschieden und dann direkt unser Angola Visum abzuholen. Als Geschenk von Beatrice erhalten wir traditionell ghanaische Gewänder. Am Tor der Botschaft erwartet uns ein Zettel. Er teilt uns mit, dass heute in Angola Feiertag sei und daher geschlossen. Ausgehangen wurde er gestern. Wir atmen tief durch und sehen ein dass es schlimmeres gibt, als ein weiteres Wochenende in einer Stadt wie Accra bleiben zu müssen…