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4 Tage Monrovia – zu Gast bei Freunden



Entlang der Westküste der Freetown-Halbinsel fahren wir weiter in Richtung Süden. Die Gegend ist für ihre idyllischen Strände berühmt, schon mehrere Werbevideos bekannter Marken wurden hier gedreht. Wir machen Zwischenstopp am Tokeh Beach, einem Traumstrand wie er im Buche steht. Bei einem kurzen Marsch erhalten wir Begleitung von zwei kleinen Jungs, die uns ihre Fußballkünste demonstrieren und vom Gun-Fishing schwärmen, einer Art des Fischens, bei der die Angel durch eine Schrotflinte ersetzt wird. In unseren Augen nicht sehr nachhaltig…

Wir erreichen Bureh Beach, Wochenendausflugsziel für Freetown und zahlreiche Freiwilligendienstleistende im Land, und verbringen zwei Tage in einem kleinen Surfcamp. Man erkennt schnell, dass hier der Massentourismus noch nicht Einzug gehalten hat. Der Besitzer des Camps, sowie die Gruppe stammen aus dem kleinen angrenzenden Dorf Bureh, ein Teil der Einnahmen fließt in den Bau einer Schule. Wir fühlen uns unglaublich wohl und freunden uns mit den Jungs an, die das Camp im Stile einer großen Familie betreiben. Sie laden uns zum Abendessen ein sowie zum allabendlichen Lagerfeuer samt Breadfruit, einer handballgroßen, steinharten Kugel die an Bäumen wächst, und deren Inneres nach 10 Minuten Glut geschmacklich einer gekochten Kartoffel sehr nahe kommt. Dann lernen wir noch George kennen, Fotograf und Filmemacher, der durch Videoaufnahmen von Surfern einen internationalen Surfwettbewerb nach Bureh geholt hat.

Die nächste Passage führt uns in Richtung Liberia nach Osten. Die Straßen beginnen vielversprechend, verwandeln sich aber mehr und mehr zur Piste. Im Städtchen Kenema wollen wir die letzte Chance nutzen, unser Auto vor der Grenzüberfahrt aufzutanken. Wir stellen fest, dass die Verfügbarkeit von Kraftstoff in dieser entlegenen Region nicht selbstverständlich ist. Bei drei Tankstellen werden wir abgewiesen, erst bei der Vierten erfahren wir, dass ein Tankwagen gerade frisches Benzin geliefert hat. Allerdings sind wir nicht die einzigen die sich dafür interessieren und müssen uns durch ein Traube an Menschen immer näher an die Zapfsäulen vorarbeiten, bis wir schließlich nach bangem Warten, ob der gelieferte Sprit auch für alle Anstehenden reichen wird, erleichtert auffüllen können.

Die letzten 30km zur Grenze werden deutlich unwegsamer. Wir übernachten, geschützt von hohem Buschwerk und Gestrüpp, ein paar Meter neben dem Weg und setzen die Fahrt früh am nächsten Morgen fort. In Zimmi, der letzten Stadt vor der Grenze, lernen wir beim Frühstück den Leiter einer kleinen Werkstatt kennen, die offenbar auf unserem Weg liegt. Dort angekommen treffen wir James, der vor mehreren Jahren von einem Engländer das Schweißen gelernt hat. Nun baut er Cassava-Mühlen, Zerkleinerungsmaschinen für Maniokblätter, aus welchen traditionell Saucen zu Reisgerichten zubereitet werden. Die Maschinen bestehen aus einem Gestell und einem rotierenden Mahlwerk, welches vom Motor eines Rollers angetrieben wird. Sie funktionieren einwandfrei und erfreuen sich laut James einer großen Nachfrage. Die simple Bauweise zeugt von der Tatsache, dass es extrem schwer ist, an Materialien sowie gutes Werkzeug zu kommen und das Produkt schon im jetzigen Zustand für viele Menschen zu teuer ist.

Aufgrund eines Platten geht es mit Ersatzreifen weiter bis zur Grenze. Unproblematischer Grenzübergang, Abschiedsfoto mit einem freundlichen Grenzsoldaten, dann im wahrsten Sinne des Wortes „back on the road“ – dank der perfekt geteerten Straßen sind uns bis Monrovia wieder Geschwindigkeiten über 15km/h möglich. Das Landschaftsbild ändert sich schlagartig: Gerade noch aus dem Dschungel kommend, fahren wir plötzlich entlang bis zum Horizont reichender Palmölplantagen in Monokultur, vom Regenwald ist nichts mehr zu sehen. Schnell erreichen wir die Hauptstadt Monrovia. Dort fällt uns sofort der amerikanische Einfluss auf: Große Hauptstraßen, schachbrettartig angeordnete Stadtviertel, neben dem Liberty-Dollar wird offiziell mit US-Dollar gezahlt. Liberia unterhält sehr enge diplomatische Beziehungen mit den USA, selbst die Flagge ist der amerikanischen nachempfunden. Das Land wird geführt von der ersten afrikanischen Präsidentin, nirgendwo ist der Frauenanteil in der Regierung und offiziellen Posten höher. Das Ergebnis erleben wir am eigenen Leibe: An einigen Checkpoints wird ein zunächst äußerst dominant auftretender, Sprüche klopfender Polizist nach wenigen Minuten von seiner weiblichen Vorgesetzten sprichwörtlich zusammengefaltet.

In der Hauptstadt übernachten wir zunächst eine Nacht auf dem Parkplatz des Restaurants À La Laguna. Wir beantragen unser Ghana Visum und schwärmen anschließend in einem großen Hof mit unzähligen Reifen- und Ersatzteilehändlern aus, um einen möglichst gut erhaltenen Ersatz für unseren Platten zu finden. Ein Abenteuer, denn selbstverständlich hat jeder Händler den perfekten Reifen und Einwände unsererseits etwa aufgrund falscher Maße oder mangelnden Profils werden selbstbewusst weggelächelt – „No Problem, no problem“. Von wegen. Trotz aller Bemühungen steht als Ergebnis unser Auto schief und wir sitzen zehn Minuten später beim nächsten Händler, dem wir – wir haben dazugelernt – diesmal zwei baugleiche Reifen abnehmen.

Wir lernen Mr. Singh kennen, einen indischen Freund von Philipp aus seiner Praktikumszeit in Ghana. Derzeit ist er damit beschäftigt, in Monrovia eine Fabrik für Nägel aufzubauen. Gerne folgen wir seiner Einladung und beziehen ein Gästezimmer auf seinem Grundstück. Beim Frühstück bekommen wir vielerlei Geschichten aus den letzten Jahren zu Ohren, von Tresordiebstahl über Verfolgungsjagten bis hin zu Einbrüchen dank korrupten Wachpersonals. Auch werden wir in unserem Verdacht bestätigt, dass quasi 99% der Unternehmen in Afrika von Indern oder Libanesen geführt werden. Die kommenden Tage herrscht volles Programm:

Wir besuchen die noch unfertige Nagelfabrik. Viele Maschinen stehen schon zum Einsatz bereit, andere sind vor Kurzem erst eingetroffen und erfordern aufgrund des gebrauchten Zustands noch Reparaturen. Das Ganze wirkt ordentlich und gut organisiert. Die Fabrik soll in Zukunft nicht nur Nägel produzieren, sondern auch Wellbleche und Stahlstangen und die zugehörigen Verpackungen. Wir erfahren viel über die Planung, den Aufbau und die Produktionsabläufe und lernen die Eigenheiten einer Fabrikorganisation in Liberia kennen. Kurios: Ist man als Produktionsleiter nicht täglich anwesend, klaut einem das eigene Personal Maschinenteile.

Dann machen wir Bekanntschaft mit Alexander Garley, Geschäftsführer des Unternehmens, für welches Mr. Singh arbeitet. In Liberia geboren, hat er viele Jahre seines Lebens in den USA verbracht und auch sein Studium dort abgeschlossen. Mit seiner Holding Bever Capital ist er nun in vielen Industriebereichen Liberias vertreten. Im Laufe von zwei Abendessen lernen wir seine Familie kennen und führen interessante Gespräche über Unternehmertum in Liberia und die Chancen von lokaler Produktion sowie Ausland und Reisen. Zuletzt diskutieren wir die Frage, wie man auch als arbeitswütiger liberianischer Geschäftsführer mit eigener Familie und trotz Veto der Frau noch ein Vorhaben wie eine Afrikadurchquerung realisieren kann… erfolglos.

Über das Internet finden wir das Startup New African Technologies. Wir arrangieren einen Termin und werden vom Geschäftsführer Baresh empfangen. Auch er stammt aus Indien und lebt seit einigen Jahren hier mit seiner pakistanischen Frau. Er bietet IT-Systemlösungen an und organisiert den Import der benötigten Elektrogeräte, sowie die Einrichtung und Wartung. Als große Herausforderung sieht er das Finden geeigneter Techniker. Aufgrund des Bürgerkrieges, der erst vor gut zehn Jahren zu Ende ging, ist die Schulbildung lange auf der Strecke geblieben. Von den aktuellen Bemühungen der Regierung in diesem Bereich werden wohl erst die nächsten Generationen profitieren. Auch sei die medizinische Versorgung nicht ausreichend, und für viele Behandlungen ein Flug nach Ghana oder sogar Indien notwendig. Bei der Verabschiedung wechseln wir noch kurz ein paar Worte mit seinem Designer, einem Libanesen mit italienischen Wurzeln. Ihn stört in Afrika die Konzentration von Unternehmen auf Hauptstädte und er verfolgt daher das Ziel, in seinem Geburtsort Robertsport als selbstständiger Designer diesem Trend entgegenzuwirken.

Anschließend erkunden wir noch etwas die Stadt und werden fündig. Ein altes, verlassenes Hotel auf der Anhöhe im Westen macht uns neugierig. Kaum parken wir, erscheinen mehrere uniformierte Gestalten. Sie erklären uns, dass sie uns für etwas Geld bis auf das Dach geleiten. Es ist das typische Bild: Als Folge des Krieges ist es für Viele noch immer so gut wie unmöglich, eine Arbeit zu finden, also wird jede erdenkliche Nische eingenommen. Unsere selbsternannten Führer erzählen uns von der Geschichte des Hotels führen uns dabei ganze acht Stockwerke nach oben. Das Interieur des Gebäudes gleicht einem Rohbau, sämtliche Gegenstände und Baustoffe die auch nur den geringsten Wert haben, wurden geplündert. Die Aussicht von oben ist jedoch gewaltig!

Nach vier Tagen in Monrovia ziehen wir weiter. Wir verabschieden uns von Mr. Singh und bedanken uns für die freundliche Aufnahme. Bevor wir die Stadt verlassen, besuchen wir mit „National Toiletry Incorporated“, die einzige und erste Toilettenpapierfabrik des Landes, ins Leben gerufen von Fomba Trawally, einem Liberianer. Er erzählt uns seine packende Geschichte: Aufgewachsen in einfachen Verhältnissen, wurde er nach Ausbruch des Krieges als Flüchtling in Gambia aufgenommen. Ein Programm der dortigen Regierung ermöglichte ihm später die Rückkehr, zusammen mit einem Startgeld von 50 US-Dollar. Von dem Geld kaufte er Zutaten für Seife, die er anmischte und in steigenden Mengen weiterverkaufte. Von dem Gewinn finanzierte er einen eigenen Laden, bis er schließlich nach langen Überlegungen über mögliche Produkte seine jetzige Fabrik aufbaute. Wir erhalten eine Führung durch die Werkshalle und sind angetan von der einfachen, aber effektiven Produktionslinie. Bevor wir uns verabschieden, werden wir noch großzügig mit Toilettenpapier der Produktlinien „Bendu Tissue“ und „Teddy Bear“ versorgt.

Wieder brechen wir auf in Richtung Osten. Das nächste Ziel: Elfenbeinküste.